Regional

Wo Gemeinschaft wächst

 - EWV Energie- und Wasser-Versorgung GmbH

Es ist ein sonniger Frühlingstag, als wir die Anlage des Obst- und Gartenbauvereins Merkstein1 e. V.

besuchen. Sie liegt idyllisch zwischen einem von Bäumen gesäumten erhöhten Radweg und der ruhigen Straße „Am Wasserturm“ in Herzogenrath-Merkstein. Stolz führen uns Geschäftsführerin Monika Schegulla, der Vorsitzende Uwe Däsler und der Hauptkassierer Stefan Block auf dem Rundweg durch die Gartenanlage. Sie besteht aus 75 Parzellen mit jeweils rund 250 Quadratmetern. Bunt und individuell sind die einzelnen Gärtchen angelegt: mit Gartenhäuschen, Blumen, Gemüsebeeten, kleinen Treibhäusern und vereinzelt auch Gartenzwergen. „Nicht nur die 75 Parzellenpächter, sondern insgesamt 225 Personen aus allen Altersklassen sind Mitglieder“, erklärt Stefan Block. „Unser ältestes Mitglied ist 84 und gräbt noch immer selbst um.“

 

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Stefan Block freut sich über den ersten Salat.

Bunt und vielfältig

Die Älteren gehören genauso zum Verein dazu wie 47 Kinder, für die es eine eigene Beauftragte gibt:

Nicole Stefan, die stellvertretende Geschäftsführerin. Sie schließt sich unserem Rundgang an und erzählt: „Wir organisieren Veranstaltungen für Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren. Von Ostereiersuche bis Nikolaus – rund ums Jahr gibt es Angebote. Denn wir freuen uns natürlich, dass der Generationswechsel in unserem Verein gelingt.“ Zum bunten Bild der Anlage gehören auch Fahnen, die munter im Wind flattern. Sie zeigen, dass die Vielfalt auch im Schrebergarten angekommen ist: Neben den deutschen Farben erkennt man auch zahlreiche andere Länderflaggen – die einzige nordfriesische Fahne in einem Garten mit großem Apfelbaum wirkt schon fast exotisch.

„Die Saison fängt gerade an“, erzählt Uwe Däsler, Vorsitzender des Vereins. „Die meisten starten nach den Eisheiligen mit dem Aufräumen und Einpflanzen.“ Erste Blüten sorgen bereits für Frühlingsgefühle, und auch viele hellgrüne Blätter und erste grüne Spitzen, die in den kleinen Treibhäusern zu sehen sind, schüren die Vorfreude auf die Gartensaison. Stefan Block zeigt uns in seinem Treibhaus die ersten Salate, die schon bald erntereif sein werden. Seit 43 Jahren ist er bereits im Verein. „Ich habe damals beim EBV gearbeitet“, erzählt er, „von uns sind nicht mehr viele da.“ Der Eschweiler Bergwerks-Verein (EBV) betrieb im 19. und 20. Jahrhundert mehrere Steinkohlegruben in der Region und stellte 1934 ein Stück Ackerland zur Verfügung, um die Bergleute der Kolonie Streiffeld bei der Ernährung ihrer Familien zu unterstützen. Selbstversorgung war damals das Stichwort – und ist es noch heute.

„Den größten Teil unseres Gartens müssen wir für Selbstversorgung nutzen“, bestätigt Stefan Block, „so steht es in unserer Gartenordnung.“ Nachdem der EBV das Land zum Teil für neue Bergbausiedlungen benötigte, zog der Gartenbauverein 1952 an seinen heutigen Standort. 1992 wurde in der Region die letzte Grube des EBV stillgelegt. Die Stadt Herzogenrath erwarb das Grundstück und gab dem Verein einen Pachtvertrag für mehrere Jahrzehnte. „Da fing es an, dass die Leute sich Häuschen gebaut haben“, erinnert sich Stefan Block.

Nicht nur für die Menschen haben die Mitglieder Häuser aufgestellt: Zahlreiche Vogelhäuschen und auch Insektenhotels zeugen von dem ganzheitlichen Blick der Gartenfreunde auf die Natur. „Ich habe gerade unter meinem Dach einen Zaunkönig“, freut sich Uwe Däsler, und Monika Schegulla ergänzt: „Wir hatten auch schon Nester in Mützen oder Verlängerungskabeln.“ Dann wird sie ernst: „Es ist allerdings erschreckend, wenn man sieht, dass in fast jedem Nest auch Plastikteile oder Papierchen verarbeitet sind, die die Vögel in der Natur gefunden haben.“

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Ernster Hintergrund 

Die Mitglieder legen also nicht nur Wert darauf, dass Blumen, Obst und Gemüse sich in ihren Gärten wohlfühlen und gedeihen – sie sorgen auch für Vögel, Insekten, Fledermäuse, Eichhörnchen und sogar Molche. „Wir haben hier viele Teiche mit Molchen“, zeigt Monika Schegulla, „die stehen unter Naturschutz.“ Klar: Wer die Natur liebt, respektiert und schützt das gesamte System. Zweck des Vereins, so kann man auf der Website nachlesen, ist „die Förderung des Selbstversorgergartenbaus, der Pflanzenzucht, der Gartenkultur, der Ortsverschönerung sowie des Umwelt- und Landschaftsschutzes“. Von der Ortsverschönerung haben übrigens alle etwas, denn zwischen 10 und 18 Uhr darf jeder, der möchte, in der Anlage spazieren gehen. „Bitte auf den Wegen bleiben“, merkt Uwe Däsler schmunzelnd an. „Das mit der Selbstversorgung gilt nämlich nur für die Pächter der Gärten.“ 

Dieser Vereinsschwerpunkt hat übrigens durchaus einen ernsten Hintergrund, denn in der Gründungsphase des Vereins – noch unter dem Eindruck des Hungers in der Nachkriegszeit – sollten die Gärten zur Ernährung der Familien beitragen, deren Väter für einen kargen Lohn in den Gruben arbeiteten. Bis heute ist der Verein von Familien geprägt, die ihre Liebe zur Natur teilen und im Verein gerne Zeit miteinander verbringen. Stefan Block beispielsweise ist der Onkel von Monika Schegulla, und beim Rundgang begegnen wir auch ihrer Schwester. Uwe Däsler freut sich, dass seine Frau ihn tatkräftig im Garten und bei der Vereinsarbeit unterstützt. Auch Nicole Stefan hat Familienanschluss: „Mein Vater hat mit einem Garten angefangen, und ich bin ungefähr ein Jahr lang mit ihm hierhergekommen“, erinnert sie sich. „Dann wurde gegenüber ein Garten frei, und den habe ich dann mit meiner Tochter genommen.“ 

Freitags trifft man sich gerne in der Vereinslaube, die ab 17 Uhr zu einem gemütlichen Austausch bei gekühlten Getränken einlädt. Auch damit knüpft der Verein an alte Zeiten an. Uwe Däsler beschreibt lachend: „Da kamen die Bergleute hierher und haben den Bergsold verjubelt, bevor sie ‚nach de Mama‘ gingen. Das gibt es heute so nicht mehr – unsere Gemeinschaft ist kleiner geworden. Trotzdem geht es manchmal ganz schön lang an diesen Freitagen.“

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Feiern, pflanzen, teilen

Und wenn die Gartenfreunde so zusammensitzen, dann werden Anekdoten, Tipps und Setzlinge ausgetauscht. Mit ihrem geballten Wissen bringen die Vereinsmitglieder in ihren Gärten zum Teil ganz besondere Ergebnisse hervor: Wassermelonen, Williams-Birnen und sogar koreanische Tomaten. Neben der Ernte geht es aber auch um das Gärtnern an sich, betont Monika Schegulla. „Ich kann hier einfach gut runterkommen“, sagt sie. „An der frischen Luft sein, die Vögel morgens zwitschern hören und dem Gemüse beim Wachsen zusehen – das ist für mich richtige Entspannung. Auch wenn mir abends alle Knochen vom Umgraben weh tun, fühle ich mich gut.“ Das bestätigt ihr Onkel Stefan Block: „Wenn Sie Unkraut jäten, müssen Sie sich darauf einfach konzentrieren“, sagt er. „Das macht den Kopf frei. Sind Sie mit den Gedanken woanders, ist die Pflanze kaputt.“

Wer jetzt Lust aufs Gärtnern bekommt, kann den Obst- und Gartenbauverein Merkstein1 e. V. zum Beispiel beim Sommer-Gartenfest am 5. Juli einmal selbst erleben und über eine Mitgliedschaft nachdenken. Zum Vereinsleben gehören auch Feste wie Erntedank und Martinsfeuer, eine jährliche Vereinsfahrt, Seniorennachmittage und feierliche Ehrungen langjähriger Mitglieder. Wenn eine Parzelle frei ist, sollte sich das neue Mitglied auf regelmäßiges Engagement einstellen. „Man muss Hobbygärtner sein und Lust haben, spätestens jeden zweiten Tag in den Garten zu kommen und ihn zu pflegen“, sagt Uwe Däsler. „Und im Winter sind wir auch oft hier, schon allein um die Vögel zu füttern.“ 

Was einst als Beitrag zur Ernährung in schwierigen Zeiten begann, ist heute ein Ort für nachhaltiges Leben in nachbarschaftlicher Gemeinschaft geworden – mit Wurzeln in der Vergangenheit und neuen Trieben für die Zukunft.

Obst- und Gartenbauverein

Merkstein1 e. V.
Am Wasserturm 1
52134 Herzogenrath
www.gartenbauverein-merkstein1.de

 

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