In der Ausgabestelle der Übach-Palenberger Tafel im Mühlenhof herrscht rege Betriebsamkeit. Ein gutes Dutzend Helfer sorgt dafür, dass die Lebensmittel, die zwei Sprinter gerade angeliefert haben, in die Regale kommen. Jeder weiß genau, wo er gebraucht wird. Der Innenraum steht bereits voller Kisten: Rhabarber, Salat, Brot, Brötchen, Mandarinen – die Mengen sind beeindruckend. Eine Kiste nach der anderen nehmen sich die Helferinnen und Helfer vor. Sie prüfen, welche Lebensmittel gut sind, und sortieren sie in die Regale. Es riecht nach Laugengebäck und frischem Obst. Gelächter, Gespräche und Rufe wie „Habt Ihr noch eine Kiste für mich?“ erfüllen den Raum.
Roswitha Bischhaus-Trotnow und ihr Mann Dieter Bischhaus betrachten die Szene mit Stolz. „Wir freuen uns immer noch täglich, dass wir unsere Tafeln auf die Beine stellen konnten“, sagt Roswitha Bischhaus-Trotnow. Und damit meint sie nicht nur die Ausgabestelle in Übach-Palenberg, sondern noch vier weitere: in Boscheln, Geilenkirchen, Selfkant-Stein und Birgden-Tüddern.
Qualität und Wertschätzung
„Essen, wo es hingehört“ – das ist das Prinzip der Tafeln, die bundesweit im Verband Deutsche Tafel e.V. organisiert sind. Die Idee: Auf der einen Seite gibt es Menschen, die sich Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse nicht mehr leisten können. Auf der anderen Seite fallen in Supermärkten täglich große Mengen an, die nicht mehr verwendet werden, obwohl sie qualitativ noch einwandfrei sind. Die Tafeln schaffen einen Ausgleich, indem sie diese Lebensmittel einsammeln und sie in den Ausgabestellen an ihre Kunden verteilen. Registrieren können sich alle, die Leistungen der Grundsicherung beziehen, also z.B. Bürgergeld oder Leistungen aus dem Asylbewerbergesetz. „Bei uns hat jeder die gleichen Rechte“, sagt Roswitha Bischhaus-Trotnow achselzuckend. „Uns ist egal, welche Sprache jemand spricht oder welche Konfession er hat. Wer registriert ist, zahlt pro Person für den Einkauf einen Euro.“ Sie zeigt auf ein oranges Netz, aus dem ein Helfer gerade eine verfaulte Mandarine entfernt und die anderen sorgfältig prüft. „Eine ist nicht mehr gut“, sagt die Vorsitzende des Vereins Übach-Palenberger Tafel e.V. entrüstet, „aber deswegen kann man doch die anderen nicht wegwerfen!“ Dass die verteilten Lebensmittel eine sehr gute Qualität haben, ist ihr genauso wichtig wie die Vielfalt der angebotenen Produkte: „Die Leute sollen aussuchen dürfen. Das gehört zur Wertschätzung dazu, die wir ihnen entgegenbringen.“ Für jeden Einzelnen nehmen die Helferinnen und Helfer sich Zeit, auch wenn am Monatsende schon mal mehr als 150 Personen in die Ausgabestelle kommen.
Man kann viel bewegen
An die Gründung der ersten Tafel erinnert sich das Ehepaar noch ganz genau. „Das war im Februar 2005“, erzählt Dieter Bischhaus, und seine Frau ergänzt: „Ich habe damals Lokalpolitik gemacht, und mein Mann und ich sind deshalb von Haus zu Haus gegangen. Da haben wir so viel Armut gesehen …das war uns vorher nicht klar.“ Die beiden entschlossen sich kurzerhand, im Nachbarort bei der Tafel mitzuarbeiten. „Und dann haben wir hier in Übach-Palenberg die erste Tafel im Kreis Heinsberg gegründet.“ Das Projekt wuchs schnell. Wenn sie sowieso einen Transporter finanzieren müssen, dachten sich die Initiatoren, dann sollte er häufiger als nur ein- oder zweimal in der Woche genutzt werden. „Wir wollten unsere Ressourcen bündeln und gleichzeitig mehr Menschen erreichen“, erklärt Roswitha Bischhaus-Trotnow, wie die weiteren Standorte entstanden. „Wir müssen schon da sein, wo die Menschen hinkommen können. Die meisten haben ja keinen Führerschein und kein Auto.“ Die Kunden in den Ausgabestellen sind Geflüchtete, Menschen, die von Altersarmut betroffen sind, alleinerziehende Mütter. „Manche haben vier, fünf Kinder, die sitzen im Winter ohne Schuhe da“, verdeutlicht die Übach-Palenbergerin. „Man kann sich das nicht nur angucken, das reicht nicht. Man kann viel bewegen, das sieht man ja hier. Da denkt man nicht so drüber nach, im Alltag, aber jeder kann das.“
Während Roswitha Bischhaus-Trotnow gerade in den Ruhestand gegangen ist – sie war vorher im Jobcenter tätig –, arbeitet ihr Mann nach wie vor als Konstrukteur. Ihr Engagement für die Tafeln ist rein ehrenamtlich. Allein in Übach-Palenberg hat ihr Verein im vergangenen Jahr 555 registrierte Kunden verzeichnet, die für mehr als 1.230 Personen eingekauft haben. Insgesamt versorgen die fünf Ausgabestellen fast 4.000 Personen. Möglich machen das nicht nur die rund 50 Mitarbeitenden, von denen einige ehrenamtlich helfen und einige Ein-Euro-Jobber sind oder aus der Langzeitarbeitslosigkeit kommen. Natürlich sorgen auch Spenden dafür, dass die Tafeln helfen können: Lebensmittelspenden von Discountern aus der Umgebung, Raumspenden von Firmen oder Kommunen, die vom Verein nur die Verbrauchskosten, aber keine Miete für die Räumlichkeiten der Ausgabestellen verlangen. Und nicht zuletzt Geldspenden, ohne die es gar nicht gehen würde. „Wenn wir eine Spende bekommen, teilen wir sie als Verein auf unsere drei Tafeln und fünf Ausgabestellen auf“, erklärt die Gründerin und lächelt: „Das dürfen Spenderinnen und Spender gerne berücksichtigen, wie viele Menschen und Helfende in diesem einen Verein gebündelt sind.“
Spenden und Hilfe willkommen
„Natürlich wären mehr Spenden toll, gerade weil sie nicht nur eine Tafel unterstützen, sondern gleich drei“, seufzt Dieter Bischhaus, „es wird schließlich alles immer teurer – der Sprit für unsere Transporter zum Beispiel.“ Auch weitere Ehrenamtliche und Vereinsmitglieder sind stets willkommen, die anpacken und mithelfen möchten, zum Beispiel im Fahrdienst oder bei der Öffentlichkeitsarbeit in den sozialen Medien. Besonders dringend sucht das Ehepaar Bischhaus gerade neue Räumlichkeiten in Geilenkirchen. „Wir müssen die Kosten gering halten und können deshalb keine Miete, sondern nur den Verbrauch zahlen“, erklärt Dieter Bischhaus. „Bestimmte Voraussetzungen müssen die Räume auch erfüllen – einfach ist es nicht, so etwas zu finden.“
Stimmt schon, aber wer unsere Region kennt, weiß: Es gibt genug hilfsbereite und findige Nachbarinnen und Nachbarn, die bestimmt eine Idee haben. Schließlich erreicht die Tafel mit ihren Ausgabestellen nicht nur, dass Menschen in Not sich wieder Lebensmittel leisten können – es entstehen auch tolle Nebeneffekte. Dass die Menschen einander in den Ausgabestellen kennenlernen zum Beispiel, sich vernetzen und aufeinander zugehen. Und: „Langzeitarbeitslose, die bei uns arbeiten, finden anschließend ganz häufig wieder einen Job“, freut sich die ehemalige Jobcenter-Fallmanagerin. „Das freut mich auch immer so sehr, denn es zeigt: Wenn man sich um die Leute kümmert und ihnen eine Chance gibt, dann funktioniert das auch.“
Die Ausgabestelle in Übach-Palenberg ist inzwischen aufgeräumt, die Regale sind gut gefüllt. Doch gleich kommt schon der nächste Lebensmitteltransport für diesen Ausgabetag. Es ist und bleibt viel zu tun – gut, dass das Ehepaar Bischhaus es zusammen mit vielen Helferinnen und Helfern anpackt.
Übach-Palenberger Tafel e. V.
Fidelisstr. 17
52531 Übach-Palenberg
Organisiert im Verein:
- Geilenkirchener Tafel
- Gangelter Tafel
- Übach-Palenberger Tafel
Die Öffnungszeiten der Ausgabestellen sowie alle Möglichkeiten der Unterstützung (Spenden, Mithelfen, Mitglied Werden) und Kontaktdaten finden Sie unter: www.uebach-palenberger-tafel.de
Weitere Tafeln in der Region:
www.wuerselener-tafel.de
www.eschweilertafel.de
www.stolberger-tafel.de