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Mit dem Hintern im Wind

EWV Islandpferde aus Roetgen

Ein sonniger, aber durchaus stürmischer Tag im Januar. Unter dem dramatisch bewölkten Himmel über Roetgen reiten einige Mitglieder des Vereins „Islandpferdefreunde Kaiser Karl“ auf ihrer Ovalbahn. „Wir nennen das schnelles Wetter“, schmunzelt die erste Vorsitzende Martina Mainz-Kwasniok und zeigt auf die dunklen Wolken und die sich biegenden Bäume. Den Islandpferden macht der Wind nichts aus – im Gegenteil. Sie schwitzen sogar ein bisschen, weil sie Winterfell tragen und es für diese Jahreszeit zu „warm“ ist. 365 Tage im Jahr, Tag und Nacht sind die Pferde draußen, berichtet Martina Mainz-Kwasniok. Bei ihr sind es gleich 13 Tiere, die direkt am Haus auf der Wiese stehen, „mit dem Hintern im Wind“, wie ihre Besitzerin lachend sagt, obwohl sie jederzeit in den offenen Stall gehen könnten. „Draußen und in einer großen Herde sind sie am liebsten“, erklärt die begeisterte Reiterin und Züchterin. „So lernen sie auch ihr Sozialverhalten, kämpfen nicht um Futter, regulieren sich im Wesentlichen selbst und sind insgesamt relativ unempfindlich.“

Das ist eine der Besonderheiten, die Islandpferdefreunde an ihren Ponys so schätzen. Die 114 Mitglieder des Vereins haben fast alle mindestens ein eigenes Islandpferd – die meisten gleich mehrere. Für das sportliche Reiten, das sogenannte „Gymnastizieren“ ihrer Pferde, nutzen sie die vereinseigene Ovalbahn in Roetgen. Sie ist ein Treffpunkt, um sich auszutauschen und gemeinsam zu trainieren. Dabei ist dann auch direkt die nächste Besonderheit zu sehen: Islandpferde haben zwei Gangarten mehr als die meisten anderen Pferde. Zu Schritt, Trab und Galopp kommen noch Tölt und Pass. „Diese beiden besonderen Gangarten sind bei Isländern genetisch fixiert“, erklärt Martina Mainz-Kwasniok. „Tölt ist wie Schritt, ein Viertakt, aber wir können ihn beliebig beschleunigen – bis er schneller ist als Galopp.“

Kaiser Karl und der Tölt

Weil der Tölt weniger anstrengend und bequemer zu sitzen ist als zum Beispiel der Trab, ist die Geschäftsführerin des Vereins Ute Lindauer auf das Islandpferd gekommen. „Vor vielen Jahren habe ich einen Bericht über den Tölt im Fernsehen gesehen“, erinnert sie sich, „und da dachte ich: Das wäre wegen meiner Behinderung ideal. Ich brauche auch ein hundertprozentig schreckfreies Pferd. Mein Arzt hatte mir das Reiten dringend empfohlen, weil es für den Rücken gut ist. Hätte ich die Islandpferde nicht entdeckt, hätte ich wahrscheinlich aufgehört.“ Stattdessen fand sie ihre Liebe zu den besonderen Tieren und suchte sich nach ihrem beruflich bedingten Umzug nach Aachen vor fast zehn Jahren den entsprechenden Verein. „Es war toll, über den Verein sofort Gleichgesinnte zu finden und nette Leute kennenzulernen“, freut sie sich.

Diese Möglichkeit gibt es inzwischen schon seit mehr als 40 Jahren. Gegründet wurde der Verein „Islandpferdefreunde Kaiser Karl e.V. Roetgen“ 1982, als Mitglied im Dachverband IPZV (Islandpferde-Reiter und Züchterverband). Einer der Gründer, Josef „Jupp“ Dohr, züchtet auch heute noch Islandpferde, mit über 80 Jahren. „Er hat sich als einer der ersten für Islandpferde in Deutschland eingesetzt“, berichtet die heutige Vorsitzende. „Er war ein ganz großer Name in der Szene.“

Und was hat der andere große Name, Kaiser Karl, mit dem Verein zu tun? Die Gründer stießen damals auf ein Bild von ihm, das ihn auf einem Pferd zeigt – bis heute ist es im Wappen des Vereins zu sehen. „Das ist zwar kein Isländer auf dem Bild“, erklärt Martina Mainz-Kwasniok, „aber an der Fußhaltung des Pferdes sieht man eindeutig, dass das Pferd töltet. Früher gab es mehr töltende Pferde, zum Beispiel die mittelalterlichen Zelter.“

Islandpferde Isis aus der Region

Besondere Naturnähe

Die Islandpferdefreunde selbst sind übrigens auch anders als viele andere Reiterinnen und Reiter. „Wir reiten zum Beispiel überwiegend aus“, führt Martina Mainz-Kwasniok aus. „Das ist bei Großpferden anders, die bleiben häufig lieber drinnen und kommen mit dem Gelände nicht so gut zurecht. Es gibt relativ wenig Schnittmenge zwischen Reitern von Islandpferden und Reitern von Großpferden – deshalb brauchen wir ja auch einen eigenen Verein.“ Auch die Vorsitzende selbst zieht den Ausritt einer Übungseinheit in der Halle vor. „Da gehe ich eigentlich nur unter Zwang hin. Zum Beispiel wenn meine Tochter meint, es sei mal wieder nötig, dass ich Kringel reite, und mir entsprechenden Unterricht gibt.“ Eigentlich ist die Mutter aber durchaus einsichtig, weil vor allem die Pferde ein gewisses Training benötigen. Ute Lindauer bekräftigt: „Mit diesem Gymnastizieren hält man den Rücken der Tiere gesund, der uns ja schließlich tragen muss.“

Insgesamt zeichnen sich die Islandpferdefreunde vor allem durch eine besondere Naturnähe aus. Ein Islandpferd allein in einer Box im Stall zu halten ist für die „Isi-Freunde“ nicht denkbar. Die natürliche Haltung in einer großen Herde passt besser zu den Tieren. „Wir bringen uns als Menschen möglichst wenig ins Gespräch“, erklärt Martina Mainz-Kwasniok. „Unsere Fohlen müssen noch keine Hufe geben, sich nicht am Halfter führen lassen – das machen wir alles ganz bewusst nicht. Obwohl sie bei mir so nah am Haus leben, dürfen sie ein bisschen scheu bleiben. Wir reiten sie erst in ihrem vierten Herbst an – da haben andere Rassen auf der Galopprennbahn schon die zweite Saison hinter sich.“ Auch das trägt dazu bei, dass Islandpferde einen besonderen Charakter haben. Sie sind selbstsicher, lassen sich von Umweltreizen nicht so leicht erschrecken, haben kein Problem mit „schnellem Wetter“ und akzeptieren die Menschen als ranghohe Mitglieder ihrer Herde. Martina Mainz-Kwasniok: „Typischerweise sind Isländer unglaublich kooperativ. Wenn Sie das gemeinsame Ziel verstanden haben, geben sie alles, um es zu erreichen.“

Neue Mitglieder willkommen

Das sieht man, wenn man die eifrigen Pferdchen und ihre Reiter auf der Ovalbahn beobachtet – dem offiziellen Sitz des Vereins. Das Gelände pachtete der Verein 2004 von der Gemeinde Roetgen und baute anschließend die Reitbahn darauf. Neben der Bahn gibt es noch einen Unterstand und einen Geräteschuppen. Einen Stall oder eine Reithalle, wie man es von anderen Reitvereinen kennt, sucht man hier vergebens – das passt nicht zu den „Isis“. Auf der Ovalbahn finden regelmäßig Unterrichtsstunden statt, die Vereinsmitglieder mit Trainerschein erteilen. „Manchmal laden wir auch renommierte Trainer von außerhalb für einen Wochenendkurs oder einen Lehrgang ein“, erklärt Ute Lindauer, „oder veranstalten einen Kindertag mit kostenfreiem Unterricht für unsere kleineren Mitglieder.“

Solche und weitere Termine des Vereins sind auf der Website (s. Kasten) im Jahresprogramm zu finden. Neue Mitglieder sind jederzeit herzlich willkommen, egal ob jung oder alt, leicht oder schwer, klein oder groß: Martina Mainz-Kwasniok und Ute Lindauer freuen sich, wenn Interessierte Kontakt mit ihnen aufnehmen. Wer dem Verein der Islandpferdefreunde Kaiser Karl beitreten möchte, braucht übrigens nicht direkt eine ganze Herde eigener Ponys – eine Reitbeteiligung reicht auch.

Islandpferdefreunde Kaiser Karl e.V. Roetgen

Islandpferdefreunde Kaiser Karl e.V. Roetgen
www.isi-freunde.de
1. Vorsitzende: Martina Mainz-Kwasniok
Geschäftsführerin: Ute Lindauer

Ein weiterer Verein für Reiterinnen und Reiter von Islandpferden in der Region:
Islandpferdereiter Kreis Heinsberg e.V. (islandpferde-hs.de)

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