Der Verein „Hilfe mit Herz“ engagiert sich in Herzogenrath für Nachbarschaftshilfe.
Markt 41 in Herzogenrath-Kohlscheid – ein kleiner Laden mit freundlich gestalteten Schaufenstern. Vor dem linken Fenster steht auf einer Bank ein Korb mit Äpfeln, vor dem rechten Fenster eine voll behängte Kleiderstange mit dem Schild „Jedes Teil 1 Euro“. Auf der Scheibe, nicht zu übersehen: „Hilfe mit Herz e.V. Bürgerhilfe“ – in einem grünen Herz mit einer helfenden Hand.
Im Laden unterhalten sich lachend etwa ein halbes Dutzend Personen aller Altersklassen. Aus einem Raum hinter dem Laden schaut Angelika Körfer heraus, die gerade telefoniert. „Bin gleich da!“, gibt sie uns zu verstehen. Wir sehen uns um: Runde Kleiderständer mit zahlreichen bunten Blusen, Hosen und Jacken, Regale mit Spielsachen, Hygieneartikeln, Büchern. Auf dem Boden stehen Schuhe, Kartons und kleinere Möbelstücke. Vom Laden aus gibt es einen Durchgang zu einem kleinen Lager. „Zutritt nur für Helferengel“ steht darüber – wir dürfen aber mal hineinschauen. Sauber sortiert finden sich dort Lebensmittel aller Art, von Konservendosen bis zu Nudeln, aber auch frische Ware. Angelika Körfer ist inzwischen fertig mit ihrem Telefonat und erklärt stolz: „Hier haben wir frisches Obst und Gemüse, das bekommen wir jede Woche von einem Großhändler aus Eschweiler kostenlos geliefert. Außerdem haben wir natürlich Brot und Kartoffeln – hier ist Mehl, das haben wir gestern von einem Supermarkt bekommen, ist vor drei Tagen abgelaufen. Haltbare Lebensmittel sind wichtig, Konserven zum Beispiel.“
Einspringen für die Tafeln
Angelika Körfer ist offen, zugewandt, mitten im Leben, unaufgeregt-fröhlich – ihrer Aufgabe widmet sie sich mit viel Ernsthaftigkeit und Leidenschaft. „Es wird immer schlimmer, es gibt immer mehr Bedarf“, sagt sie. „Gerade die Älteren sind im Moment besonders in Not. Und die Tafeln können niemanden mehr annehmen, sie haben keine Kapazitäten mehr.“ Genau das war einer der Gründe, warum Angelika Körfer „Hilfe mit Herz“ ins Leben gerufen hat. „Ich habe vor neun Jahren Brustkrebs gehabt und den Verein ‚Haarschnitt mit Herz‘ gegründet. Da ging es darum, Haare zu spenden, um daraus Perücken zu machen – und darum, dass die Leute sich mit der Krankheit auseinandersetzen. Und dann kam Corona, und die Tafeln machten zu.“
Die Kohlscheiderin fing an, Sachspenden zu sammeln und zu verteilen. „Wir haben eine Garage als Lager zur Verfügung gestellt bekommen und konnten innerhalb von drei Monaten 400-mal bedürftigen Menschen kostenlos vernünftige Lebensmittel bringen“, erinnert sich Angelika Körfer dankbar. Bei einem dieser Besuche kam es zu dem Schlüsselerlebnis, dem der heutige Verein seine Existenz verdankt. „Ich war bei einer älteren Dame, die mir sagte: ‚Wenn ich morgen meine Rente kriege, kaufe ich drei Packungen Toastbrot ein.‘ Und ich fragte: ‚Warum holen Sie sich denn kein frisches Brot?‘ Ihre Antwort: ‚Nein, ich friere mir das ein, damit ich bis zum Ende des Monats auf jeden Fall jeden Tag wenigstens ein paar Scheiben Brot habe.‘ Danach bin ich nach Hause gegangen und konnte nicht schlafen. So eine Armut, in meiner direkten Nachbarschaft – und keiner sieht etwas, keiner tut etwas.“ Als sie mitbekam, dass ein Ladenlokal in der Nähe zu vermieten war, griff sie zu und mietete es an – zunächst privat und auf eigenes Risiko. „Ich habe mir gedacht: Du musst jetzt nicht lange überlegen, der Bedarf ist da. Und ich hatte ja durch ‚Haarschnitt mit Herz‘ schon sehr viel Unterstützung. Das wurde dann noch einmal eine Nummer größer.“
Hilfe aus der ganzen Nachbarschaft
Es entstand der Laden, in den Menschen brauchbare Sachspenden bringen können, die dann für ein bis zwei Euro verkauft werden, um die Miete zu finanzieren. Vor allem aber dient der Laden am Kohlscheider Markt der Lebensmittelvergabe an Bedürftige. Bis zu zehn ehrenamtliche Helferinnen und Helfer packen mit an, darüber hinaus gibt es viel Unterstützung von lokalen Unternehmen und auch von Vereinen aus der Umgebung. „Das ist alles ein gut funktionierendes Mund-zu-Mund-Netzwerk“, freut sich die zweite Vorsitzende des Vereins, Andrea Reichelt, die zum Fototermin leider nicht mehr bleiben kann. „Die Leute melden sich zum Beispiel per Facebook und sagen: ‚Bei meinen Nachbarn sieht es nicht so gut aus‘ – und dann versuchen wir zu helfen.“ Doch dazu muss die Nachbarschaftshilfe häufig erst einmal das Vertrauen der Menschen gewinnen. „Wir haben in einer Aktion 30 Einkaufstrolleys mit Lebensmitteln gefüllt und an Leute verschenkt, die uns noch nicht kannten. Damit sie merken: Komm, die Mädels sind in Ordnung, da wird man nicht blöd angemacht, da kann man hingehen.“
Auch den Flutopfern half der Verein vom ersten Tag an mit Waschmaschinen und anderen dringend benötigten Sachspenden. Schon einen Tag nach der Katastrophe war Andrea Reichelt mit ihrer Familie in Stolberg aktiv – mit warmem Essen, heißen Getränken und offenen Ohren. Mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine kam ein weiteres Projekt hinzu: „Wir kennen einen Diplomaten aus der Ukraine, der über die Grenzen fahren darf – mit seiner Hilfe haben wir bereits fast 40 Transporte nach Kiew organisiert“, erklärt Angelika Körfer. „Vor Ort haben wir dann eine Partnerorganisation, die für die Verteilung der Spenden sorgt. Das Ergebnis kann man sich dann auf Fotos im Internet ansehen.“ Sie ist sichtlich bewegt: „Man sieht zum Beispiel ein zertrümmertes Haus und davor steht ein Kind mit einer Puppe im Arm, die vor ein paar Tagen noch bei uns im Laden lag. Das ist schon … da kriege ich Gänsehaut.“ In ihrer zuversichtlichen Art denkt sie schon jetzt an die Zeit nach dem Krieg. „Wir sind eingeladen in Kiew, sobald wieder Frieden herrscht. Wir haben dort mit mehreren Schulen zusammengearbeitet. Auf jeden Fall fahre ich dahin, das steht fest. Ich möchte die Kinder auch mal drücken!“
Mitmachen erlaubt!
Die Hilfstransporte in die Ukraine möchte „Hilfe mit Herz“ fortsetzen – „wir können die Menschen nicht fallenlassen“, sagt Angelika Körfer. „Aber auch für die Leute hier sind Sachspenden wichtig, auch für die Kinder. Ich glaube, dieses Jahr werden viele Kinder an Weihnachten nicht so viel haben wie sonst.“
Die Unterstützung aus der Bevölkerung ist zum Glück groß, ein elementarer Rückenwind für die Arbeit des Vereins. Haltbare Lebensmittel – Mehl, Zucker, Konserven – sind jederzeit willkommen, genauso wie Winterkleidung. Für die Obdachlosen sind Männerschuhe wichtig – „wir sehen sie im Winter oft mit Pantoffeln herumlaufen“, sagt Angelika Körfer besorgt. Spenden kann man „einfach vorbeibringen“ – die Öffnungszeiten des Lädchens stehen auf der Website (s. Herz oben links). Auch Geldspenden sind willkommen, der 19-jährige Cedric Reichelt, der sich um die Buchhaltung kümmert, stellt gerne Spendenquittungen für die steuerliche Absetzbarkeit aus. Für die Weihnachtszeit sind Aktionen für die örtlichen Altersheime und auch für Obdachlose geplant.
Für alle Menschen, die ebenfalls etwas bewegen wollen, hat Angelika Körfer einen Tipp: „Einfach machen“, zuckt sie mit den Schultern. „Ich habe auch einfach mein Herz laufen lassen, das ist oft eine gute Empfehlung. Für mich ist dieser Verein eine Chance, etwas zu tun und zu helfen. Und wenn ich mal irgendwann nicht mehr da bin, dann habe ich wohl jede Menge erlebt – und sehr viel zurückbekommen. Die Leute sind dankbar ohne Ende.“
HILFE MIT HERZ E.V.
https://hilfe-mit-herz-ev-herzogenrath.business.site
Beispiele für weitere Vereine, die helfen:
BÜRGERSTIFTUNG LEBENSRAUM AACHEN
www.buergerstiftung-aachen.de
ESCHWEILER TAFEL
www.eschweilertafel.de